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Artikel von Robert Dempfer im »Elternmagazin«, Österreichischer Buchklub der Jugend, Oktober 2005

Das Glück und der Grant
Georg Bydlinskis preisgekröntes Bilderbuch
über zwei, die sich darüber streiten, ob das Leben schön ist.

Am Ende ist die Welt wieder in Ordnung. Man merkt es daran, dass sie sich reimt. Dann sitzen der Wock und der Zapperdockel auf einem hohen Felsensockel, "spielen Karten oder Schach und bleiben auch im Finstern wach." Sie sitzen "weich im grünen Moos, zur Freude ihrer zwei Popos."

Was da reimt, ist nur mittelbar das gelbe, schnurrbärtige Wesen aus dem Buch »Der Zapperdockel und der Wock«. Die Worte legt ihm Georg Bydlinski in den Mund, dessen Fantasie die beiden Protagonisten des Buches entsprungen sind. Überhaupt, findet der Dichter, sei es kein Nachteil, der Welt mit Poesie gegenüberzutreten, um sich einen Reim auf sie zu machen. Für sein Buch wurde er mit dem Österreichischen Kinderbuchpreis 2005 ausgezeichnet. Diese staatliche Auszeichnung wird seit 50 Jahren für herausragende Kinderbücher aus Österreich vergeben.

"Das Leben ist sehr kompliziert, wenn man sich außerhalb des Märchens befindet", zitiert er in seiner Preisrede die Schriftsteller-Kollegin Marjaleena Lembcke. Vorerst gibt es auch in der Phantasiewelt Zoff: Am Beginn des Buches steht der Zapperdockel in der Landschaft und freut sich. Das kann, wie jeder weiß, kein Dauerzustand sein. Prompt taucht auf der nächsten Seite der Wock auf, ein klobiger Rüpel, dessen Grundstimmung der Grant ist, und die Lebensfreude des Zapperdockel macht Pause.

Beschimpft, gedemütigt und auf seine wenig rühmlichen Eigenschaften deutlich hingewiesen, steht er nun in einem Meer von Tränen und befindet: "Das Leben ist so traurig wie ein schwarzer Stein."

Wörter als Klänge

Unermüdliche Produktivität ist eines der Markenzeichen des 1956 in Graz geborenen Schriftstellers Georg Bydlinski. Umfangreich ist nicht nur sein Werkverzeichnis. Er bewegt sich auch quer durch die Textsorten: einmal Lyrik, einmal Prosa, einmal das Schreiben für Kinder, einmal für Erwachsene. Diese Abwechslung, findet er, sei "das eigentlich Interessante. Sie führt dazu, dass es nicht langweilig wird, sondern immer wieder neu."

Was sie sich denn unter einem Zapperdockel vorstellen, fragt Bydlinski auch die Kinder bei Lesungen. An einen "Dackel, der zappelt" oder einen "Gockel, der zappelt" fühlen die sich dann erinnert. Und kommen schnell dahinter: "Es ist etwas Unsicheres, Unruhiges, Flinkes." Während bei "Wock" klar ist, dass es etwas Großes, Feststehendes ist. "Und wenn ich ihnen dann das Buch zeige, wissen sie natürlich sofort, wer welcher ist."

Wie können wir trotz unterschiedlicher Interessen und Temperamente zusammenleben? Schon in seinem ersten, 1980 erschienenen Buch »Pimpel und Pompel aus Limonadien« taucht dieses Thema auf, später in »Der himbeerrote Drache«. Dann auch in dem Werk für Größere, »Sieben auf der Suche«, in dem sieben verschiedene, einem Videospiel entsprungene Figuren schließlich zu einer Gemeinschaft werden. "Ich glaube, das ist ein wichtiges Thema unserer heutigen Zeit und Gesellschaft", sagt Bydlinski. "Wie können wir es schaffen, ein Zusammen, eine Gemeinschaft zu finden, ohne dass der Einzelne seine Konturen verliert?"

Der Brücken-Erfinder

Mit anderen Worten: Über welche Brücke können ein grober, lauter blauer Klotz und ein sensibler, leicht angerührter gelber Wicht doch noch zusammenfinden? Beim Anblick des ganzen Weltschmerzes des kleinen Zapperdockels wird schließlich sogar das Spötterherz weich, und der Grobian beginnt, ihn ganz unwockisch-einfühlsam zu trösten. Dabei wird auch seine Sprache bildhaft und fantasievoll: "Das Leben kann so fröhlich sein wie ein knallroter Gartenschlauch", widerspricht er dem Zapperdockel. "Oder wie ein Gurkenfass mit Ausguck!"

Die Kraft der Fantasie und der Poesie machen den Zapperdockel ein wenig mutiger und selbstsicherer. Und den Wock einfühlsamer und freundlicher.

"Die Kinder sagen zum Glück fast alle: Nein, das Leben ist nicht wie ein schwarzer Stein", gibt Bydlinski die Erfahrungen vieler Lesereisen mit dem Bilderbuch wieder. "Aber es gibt Momente, in denen auch der schwarze Stein stimmt."

"Die Botschaft muß sich aus der Geschichte entwickeln, darf ihr nicht aufgepfropft werden", weiß der Autor selbst. "Literatur ist ja keine Gebrauchsanweisung." Trotzdem hat sie "etwas mit dem Leben zu tun und soll, so wie ich´s verstehe, eine gewisse Orientierung geben. Wobei die genaue Umsetzung auf die eigene Situation natürlich der Einzelne machen muss."

Die Vorbereitung auf diese Umsetzung ist die eigentliche hohe Kunst hinter Bydlinskis Arbeit. Der Zapperdockel, das ist augenscheinlich auch die Erfahrung unserer eigenen Durchschnittlichkeit, Unsicherheit und Labilität. Der Wock verkörpert die Angst davor, dass wir schonungslos und rüde bloßgestellt werden könnten. Das Buch ist längst nicht nur für Kinder geschrieben.

Bilderbuch ohne Bilder

Wäre es nach dem Illustrator des Buches, dem Kieler Jens Rassmus gegangen, so hätte »Der Zapperdockel und der Wock« gar keine Bilder gehabt. Cornelia Hladej, Programmleiterin des Dachs-Verlages, fand, dass Rassmus' Stil gut zum Text passen könnte. Der war davon sogar so begeistert, dass er dachte, "das Buch sollte man gar nicht illustrieren, weil das sonst die Fantasie der Leser einengt", erzählt Bydlinski. "Erst nach der dritten Lektüre hat es ihn gereizt – und ich sage, zum Glück!"

Eine direkte Zusammenarbeit zwischen Autor und Illustrator gab es nicht. "Das ist auch unüblich," weiß Jens Rassmus. Erste Strichzeichnungen und dann immer mehr Bilder wurden per E-Mail ausgetauscht und kommentiert.

So kam es, dass die beiden einander erst bei der Preisverleihung im vergangenen April persönlich kennen lernten.

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